Aktuelles › Fraun­ho­fer IOF · Erst­mals erfolg­reich Quan­ten­schlüs­sel zwi­schen Erfurt und Jena via Glas­fa­ser ausgetauscht

Mit elf Mil­lio­nen Euro hat das Thü­rin­ger Wis­sen­schafts­mi­nis­te­rium den Auf­bau einer Infra­struk­tur für Quan­ten­kom­mu­ni­ka­ti­ons­netze im Frei­staat geför­dert. Dazu gehört auch eine faser­ba­sierte Test­stre­cke zwi­schen Jena und Erfurt. Nun haben Part­ner des Fraun­ho­fer-Insti­tuts für Ange­wandte Optik und Fein­me­cha­nik IOF erst­mals erfolg­reich Quan­ten­schlüs­sel auf der 75 km lan­gen Stre­cke ausgetauscht.

Es ist ein Mei­len­stein für die Erfor­schung der hoch­si­che­ren Quan­ten­kom­mu­ni­ka­tion in Thü­rin­gen und Deutsch­land: Auf einer Test­stre­cke zwi­schen Jena und Erfurt ist es zum ers­ten Mal gelun­gen, erfolg­reich Quan­ten­schlüs­sel über eine Distanz von 75 km via Glas­fa­ser aus­zu­tau­schen. Mehr als 300.000 Quan­ten-Keys wur­den über einen Test­zeit­raum von zehn Tagen zwi­schen den Thü­rin­ger Städ­ten verschickt.

Bereits im Früh­jahr die­ses Jah­res war die Test­stre­cke, geför­dert aus Mit­teln des Lan­des, fer­tig­ge­stellt wor­den. Sie ver­bin­det das Fraun­ho­fer IOF in Jena mit dem Fraun­ho­fer Zen­trum für Mikro­elek­tro­ni­sche und Opti­sche Sys­teme für die Bio­me­di­zin (MEOS) in Erfurt. Mit den jüngs­ten Test­läu­fen wurde sie nun erfolg­reich in Betrieb genommen.

Thü­rin­gen soll Quan­ten­kno­ten­punkt werden

Thü­rin­gens Wirt­schafts­mi­nis­ter Wolf­gang Tie­fen­see zeigt sich über die Inbe­trieb­nahme hoch­er­freut: »Thü­rin­gen ist einer der füh­ren­den Stand­orte im Bereich der Quan­ten­kom­mu­ni­ka­tion. Als Land inves­tie­ren wir seit Jah­ren gezielt in den Aus­bau die­ser Kom­pe­ten­zen. Die Test­stre­cke ist ein wei­te­rer wich­ti­ger und sehr kon­kre­ter Schritt in diese Rich­tung. Sie wird zum Aus­gangs­punkt für eine sichere Quan­ten­kom­mu­ni­ka­ti­ons­in­fra­struk­tur in ganz Deutsch­land. Thü­rin­gen wird darin mit sei­nen For­schungs­ein­rich­tun­gen und Unter­neh­men einen zen­tra­len Kno­ten­punkt bilden.«

Der beson­dere Mehr­wert der Test­stre­cke: Sie holt hoch­kom­plexe Tech­no­lo­gien zur Quan­ten­schlüs­sel­ver­tei­lung (im eng­li­schen »Quan­tum Key Dis­tri­bu­tion«, kurz: QKD) raus aus dem Labor und bet­tet sie in eine reale, all­tags­nahe Infra­struk­tur ein. Ent­spre­chend nutzt die Test­stre­cke z. B. kon­ven­tio­nelle Glas­fa­ser, wie sie auch heute schon in IT-Netzen
zum Ein­satz kommt und damit per­spek­ti­visch Grund­lage für eine flä­chen­de­ckende Imple­men­tie­rung von Quan­ten­sys­te­men sein könnte. Auch ver­lau­fen ca. 6 km der Test­stre­cken ober­ir­disch, wodurch Sze­na­rien bereits exis­tie­ren­der Netz­werke nach­emp­fun­den wer­den können.

© Fraun­ho­fer IOF Über 75 km erstreckt sich die Quan­ten-Faser-Test­stre­cke zwi­schen Jena und Erfurt.

»Für Quan­ten­netze der Zukunft ist es wich­tig, neu­ar­tige Sys­teme in rea­len Infra­struk­tu­ren zu tes­ten«, erläu­tert Prof. Dr. Andreas Tün­ner­mann, Lei­ter des Fraun­ho­fer IOF. »Unsere Test­stre­cke soll dabei expli­zit auch Part­nern aus Indus­trie und Wirt­schaft zugäng­lich sein. Als Fraun­ho­fer IOF möch­ten wir ein ›enabler‹ sein, der es Unter­neh­me­rin­nen und Unter­neh­mern ermög­licht, eigene Sys­teme zur Quan­ten­kom­mu­ni­ka­tion in pra­xis­na­hen All­tags­sze­na­rien zu erpro­ben und zu optimieren.«
Visua­li­sie­rung der Quan­ten-Faser-Test­stre­cke zwi­schen Erfurt und Jena.

Ers­ter erfolg­rei­cher Quantenschlüsselaustausch

Das erste Unter­neh­men, das nun mit Unter­stüt­zung des Fraun­ho­fer IOF erfolg­reich Quan­ten­schlüs­sel auf der Faser-Test­stre­cke aus­ge­tauscht hat, ist die Quan­tum Optics Jena GmbH. 2020 hatte sich das junge Start-up aus dem Fraun­ho­fer-Insti­tut aus­ge­grün­det und ent­wi­ckelt seit­her Plug-in Lösun­gen für die Quan­ten­kom­mu­ni­ka­tion. »Wir freuen uns rie­sig über den erfolg­rei­chen Test­lauf«, sagt Dr. Kevin Füch­sel, CEO der Quan­tum Optics Jena. »Wir sind aber auch dem Fraun­ho­fer IOF dank­bar für die Mög­lich­keit, unser Sys­tem unter All­tags­be­din­gun­gen zu erpro­ben. Auf diese Weise för­dern wir gemein­sam einen Trans­fer von Wis­sen­schaft hin­ein in die Wirt­schaft und den prak­ti­schen All­tag von Anwen­de­rin­nen und Anwendern.«

© Fraun­ho­fer IOF Das Team der Quan­tum Optics Jena GmbH hat nun zum ers­ten Mal erfolg­reich Quan­ten­schlüs­sel auf der Test­stre­cke ausgetauscht.

Für die Kol­le­gin­nen und Kol­le­gen von Quan­tum Optics Jena hielt der erste Ver­such auf der Test­stre­cke direkt span­nende Ergeb­nisse parat: »Wir sehen, dass das Sys­tem anders im rea­len Feld arbei­tet als im Labor«, führt Füch­sel wei­ter aus. »Im Labor über­tra­gen wir bei ver­gleich­ba­ren Ver­lus­ten mit ca. 300 bit pro Sekunde. Das ergibt einen Ver­schlüs­se­lungs­key pro Sekunde. Im Feld sind wir bei ca. 200 bit, also etwas weni­ger. Ein Key ist dabei 256 bit lang und kann damit fast jede Sekunde für die kryp­to­gra­fi­sche Absi­che­rung, d. h. der Ver- und Ent­schlüs­se­lung, der über­tra­ge­nen Infor­ma­tio­nen erneu­ert wer­den. Gerade diese schnelle, abhör­si­chere und auto­ma­ti­sierte Schlüs­se­ler­neue­rung zeich­net die Quan­ten­schlüs­sel­ver­tei­lung gegen­über eta­blier­ten Ver­fah­ren aus.«

Um die aus dem ers­ten Test­lauf gewon­ne­nen Ergeb­nisse wei­ter zu ver­tie­fen und ihre Lösun­gen wei­ter­zu­ent­wi­ckeln, plant die Quan­tum Optics Jena in naher Zukunft einen zwei­ten Testlauf.
Quan­tum Optics Jena GmbH beim Quantenschlüssel-Austausch.

Aus­bau der Stre­cke Rich­tung Sach­sen und Bay­ern geplant

»Bis­her bie­tet unsere Test­stre­cke eine Zwei-Kno­ten-Ver­bin­dung zwi­schen Erfurt und Jena an«, erör­tert Insti­tuts­lei­ter Tün­ner­mann die aktu­el­len Stand­orte. Doch es gibt schon Pläne für die Zukunft: »Wir hof­fen, unsere Test­stre­cke noch wei­ter aus­bauen zu kön­nen und ein Netz­werk in Rich­tung Sach­sen und Bay­ern zu etablieren.«

Die Faser­stre­cke ent­stand im Rah­men der För­de­rung von Quan­ten­ap­pli­ka­ti­ons­la­bo­ren durch das Thü­rin­ger Wis­sen­schafts­mi­nis­te­rium. Neben der Test­stre­cke wur­den in Erfurt und Jena modernste Labore zur Erzeu­gung sowie Ana­lyse von Quan­ten­zu­stän­den und deren Anwen­dung in der hoch­si­che­ren Kom­mu­ni­ka­tion ein­ge­rich­tet. Die För­de­rung durch das Land Thü­rin­gen ist dabei eng abge­stimmt mit Initia­ti­ven des Bun­des. Sie ist außer­dem zugleich Teil des Digi­ta­li­sie­rungs­pro­jek­tes des Thü­rin­ger Minis­te­rium für Wirt­schaft, Wis­sen­schaft und digi­tale Gesellschaft.

Quan­ten­schlüs­sel­aus­tausch über immer grö­ßere Distanzen

Licht­teil­chen, soge­nannte Quan­ten, sol­len unsere Kom­mu­ni­ka­tion in Zukunft hoch­si­cher machen. Damit das gelingt, müs­sen Sys­teme geschaf­fen wer­den, die einen ver­läss­li­chen Aus­tausch der soge­nann­ten Quan­ten­schlüs­seln über ver­schie­dene Distan­zen ermöglichen.

Das Fraun­ho­fer IOF forscht bereits seit län­ge­rem an ver­schie­de­nen Mög­lich­kei­ten, um hoch­si­chere Quan­ten­schlüs­sel zu über­tra­gen. Im Rah­men der QuNET-Initia­tive, einem Pilot­pro­jekt des Bun­des­mi­nis­te­ri­ums für Bil­dung und For­schung, wurde eine Frei­strahl­stre­cke zwi­schen den Jenaer Stadt­wer­ken und dem Fraun­ho­fer IOF auf dem Beu­ten­berg Cam­pus in Jena errich­tet. Hier wer­den Quan­ten­schlüs­sel über 1,7 km mit­tels Frei­strahl ausgetauscht.

Der Aus­tausch von Quan­ten-Keys via Fasern ist nun der nächste Schritt, um noch grö­ßere Distan­zen zu rea­li­sie­ren. Um glo­bale Kom­mu­ni­ka­ti­ons­netze quan­ten­si­cher ver­schlüs­seln zu kön­nen, wird per­spek­ti­visch außer­dem ein Aus­tausch über Satel­li­ten angestrebt.