Aktuelles › Fraun­ho­fer IOF · For­schung mit Herz ret­tet Menschenleben

For­schen­den und Unter­neh­mern aus Jena lie­gen Men­schen am Her­zen – im wahrs­ten Sinne des Wor­tes. Gemein­sam mit dem Jenaer Start-up Nova­Pump sowie dem Uni­ver­si­täts­kli­ni­kum Jena hat das Fraun­ho­fer-Insti­tut für Ange­wandte Optik und Fein­me­cha­nik IOF inno­va­tive Herz­klap­pen und ‑pum­pen ent­wi­ckelt. Anläss­lich des Welt­herz­ta­ges am 29. Sep­tem­ber bli­cken wir zurück auf die Geschichte einer lang­jäh­ri­gen und herz­li­chen Kooperation.

Das Herz des Men­schen leis­tet Tag für Tag außer­ge­wöhn­li­ches. Es ver­sorgt Gewebe und Organe mit der nöti­gen Menge Sau­er­stoff und trans­por­tiert Schad­stoffe ab. In jeder Minute pumpt es das gesamte Blut ein­mal durch den Kör­per. Bei Belas­tung sogar bis zu fünf Mal und das – im Ide­al­fall – viele Jahr­zehnte lang. Gerät das Herz ein­mal aus dem Takt oder kann es die gefor­derte Leis­tung krank­heits­be­dingt nicht mehr erbrin­gen, braucht es Spe­zia­lis­ten wie Dipl.-Ing. Ronald Reich und Prof. Dr. Dr. Mar­kus Fer­rari von der Nova­Pump GmbH sowie Dr. Tho­mas Peschel vom Fraun­ho­fer IOF, um den Gleich­schritt wiederherzustellen.

© Fr. Nürnberger/ Erfurt Betreibt gemein­sam mit Fraun­ho­fer For­schung mit Herz: Dipl.-Ing. Ronald Reich, Geschäfts­füh­rer der Nova­Pump GmbH.

Die drei befas­sen sich, in enger wis­sen­schaft­li­cher Abstim­mung mit der Kli­nik für Innere Medi­zin I des Uni­ver­si­täts­kli­ni­kums Jena, seit vie­len Jah­ren mit der Ent­wick­lung von hoch effi­zi­en­ten Implan­ta­ten für geschwächte Her­zen. Gemein­sam mit dem Team von Kli­nik­di­rek­tor Prof. Dr. Chris­tian Schulze sowie schon sei­nem Vor­gän­ger Prof. Dr. Hans-Rei­ner Figulla arbei­te­ten sie in der Ver­gan­gen­heit immer wie­der eng zusam­men, um ver­schie­dene The­ra­pie­lö­sun­gen zu ent­wi­ckeln – zuletzt in zwei öffent­li­chen, vom Bun­des­mi­nis­te­rium für Bil­dung und For­schung (BMBF) geför­der­ten Pro­jek­ten zur Rea­li­sie­rung von inno­va­ti­ven Rechts- und Links­herz­pum­pen. Diese wer­den bei Akut­pa­ti­en­tin­nen und ‑pati­en­ten im Kathe­ter-Labor am schla­gen­den Her­zen über die Bein­ge­fäße bis zum Her­zen gescho­ben. Tem­po­rär kann durch diese selbst­ex­pan­die­ren­den Herz­pum­pen effek­tive Pump­un­ter­stüt­zung für einige Tage geleis­tet wer­den, bis wei­tere dia­gnos­ti­sche und the­ra­peu­ti­sche Maß­nah­men ergrif­fen wer­den und sich der geschwächte Herz­mus­kel erholt hat. Die Ent­wick­lung jener inno­va­ti­ven Herz­pum­pen grün­det dabei auf eine lang­jäh­rige Koope­ra­tion von For­schen­den und Unter­neh­mern aus Jena, die bis in die 1990er Jahre zurückreicht.

Lang­jäh­rige Koope­ra­tion bringt viel­fäl­tige Herz­im­plan­tate hervor

Bereits seit 1998 forscht Dr. Tho­mas Peschel neben vie­len ande­ren Din­gen am Fraun­ho­fer IOF auch zu unter­schied­li­chen Implan­ta­ten für das Herz. Begon­nen hat seine Arbeit auf die­sem Gebiet mit der Ent­wick­lung einer künst­li­chen Herz­klappe. Zur Herz­klappe gehört auch eine Gefäß­stütze, auch »Stent« genannt. Gemein­sam mit einem Team aus For­schen­den des Fraun­ho­fer IOF sowie mit Medi­zi­ne­rin­nen und Medi­zi­nern des Uni­ver­si­täts­kli­ni­kum Jenas ent­wi­ckelte Peschel eine Pro­these, die sich ohne gro­ßen ope­ra­ti­ven Ein­griff an die Stelle der geschä­dig­ten Herz­klappe plat­zie­ren lässt.

Beson­ders für ältere oder schwa­che Per­so­nen ist diese Tech­no­lo­gie eine inno­va­tive Lösung, denn ihre Gesund­heit erlaubt häu­fig keine auf­wen­di­gen Ope­ra­tio­nen am geöff­ne­ten Brust­korb. Das Beson­dere an der von Peschel und sei­nem Team ent­wi­ckel­ten Herz­klappe: Erst an ihrem Ein­satz­ort ent­fal­tet sich die Klappe gemein­sam mit dem Stent. Die Idee wurde nach Jah­ren der erfolg­rei­chen For­schungs­ar­beit mit Hilfe einer Aus­grün­dung in die medi­zi­ni­sche Pra­xis überführt.

Par­al­lel zu Peschels For­schung grün­dete sich in Jena das Start-up Nova­Pump GmbH. Des­sen Mit­be­grün­der, Prof. Dr. Dr. Mar­kus Fer­rari, war bei der Herz­klap­pen­ent­wick­lung von Sei­ten des Uni­ver­si­täts­kli­ni­kums Jena betei­ligt. Gemein­sam mit sei­nem Geschäfts­part­ner Dipl.-Ing. Ronald Reich, heute Geschäfts­füh­rer der Nova­Pump GmbH, tra­ten die bei­den im Jahr 2013 erneut an das Team um Tho­mas Peschel vom Fraun­ho­fer IOF heran und begeis­ter­ten ihn von der Idee, auf­bau­end auf der Erfah­rung der Herz­klap­pen-ent­wick­lung, als nächs­tes neu­ar­tige selbst­ex­pan­die­rende, pul­sa­tile Herz­pum­pen zu entwickeln.

Eine Tech­no­lo­gie wächst: Von Herz­klap­pen zu Herzpumpen

© Fr. Nürnberger/ Erfurt Ronald Reich ver­an­schau­licht das Implan­tie­ren der Rechtsherzpumpe.

Für Peschel eine inter­es­sante, neue Her­aus­for­de­rung: Gemein­sam mit Nova­Pump began­nen er und sein Team zunächst an einer Pumpe für den soge­nann­ten rech­ten Ven­tri­kel, also die rechte Herz­kam­mer, zu arbei­ten. Der rechte Ven­tri­kel pumpt das sau­er­stoff­arme Blut in Rich­tung Lun­gen­strom­bahn, wo es nach­fol­gend in den Lun­gen mit Sau­er­stoff ange­rei­chert und in den Kör­per zurück­ge­pumpt wird. »Der rechte Ven­tri­kel eig­nete sich sehr gut für die Idee einer neu­ar­ti­gen selbst­ex­pan­die­ren­den und kathe­ter­ba­sier­ten, pul­sa­ti­len Herz­pumpe. Hier ist der Druck gerin­ger als in der lin­ken Herz­hälfte und es gibt heute am Markt nur ein ein­zi­ges Mit­be­wer­ber­sys­tem, das auf einem für Pati­en­tin­nen und Pati­en­ten nach­tei­li­gen Pump­p­rin­zip basiert«, erklärt der For­scher. Genau wie bei den zuvor ent­wi­ckel­ten Herz­klap­pen muss sich die Pumpe für den Trans­port zum Ein­satz­ort im Her­zen auf das kleinst­mög­li­che Maß zusam­men­fal­ten las­sen. Erst in der jewei­li­gen Herz­kam­mer ange­kom­men, beginnt sie sich auf­grund des inno­va­ti­ven Mate­ri­als defi­niert selbst zu entfalten.
Ronald Reich ver­an­schau­licht das Implan­tie­ren der Rechtsherzpumpe.

Die Nova­Pump-Rechts­herz­pumpe nutzt im Inne­ren neu­ar­tige Ven­tile und als Antrieb einen klei­nen Bal­lon. Er kann im Bruch­teil einer Sekunde mit Helium befüllt und anschlie­ßend wie­der ent­leert wer­den – eine klas­si­sche Ver­drän­ger­pumpe also. Um feh­ler­frei arbei­ten zu kön­nen, braucht der Bal­lon dabei eine äußerst sta­bile Stütz­kon­struk­tion. Diese ent­fal­tet sich in der obe­ren Hohl­vene so, dass der Bal­lon direkt ein­satz­be­reit ist und über eine seit vie­len Jah­ren in der Herz­me­di­zin bewährte Steu­er­kon­sole akti­viert wer­den kann. Um die­ses äußerst schwie­rige Unter­fan­gen zu rea­li­sie­ren, wird für die Stütz­kon­struk­tion der Herz­pumpe ein spe­zi­el­les Metall mit Form­ge­dächt­nis ver­wen­det. Der Pump­kä­fig wird aus einem dün­nen Metall­röhr­chen mit einem Laser her­aus­ge­schnit­ten und anschlie­ßend so wei­ter­be­han­delt, dass er bei Kör­per­tem­pe­ra­tur seine gefor­derte Sta­bi­li­tät aus­prägt und trotz­dem nach erfolg­ter Herz­un­ter­stüt­zung wie­der kathe­ter­ba­siert und zusam­men­ge­fal­tet über die Bein­vene explan­tiert wer­den kann.
Am Modell wird das Implan­tie­ren verdeutlicht.

»Wir wol­len Leben retten«

Nach der erfolg­rei­chen Demons­tra­tion der Rechts­herz­pumpe in ver­schie­de­nen Ver­suchs­rei­hen ging das Team um Peschel, Schulze, Reich und Fer­rari anschlie­ßend dazu über, eine wei­tere Pumpe zu ent­wi­ckeln – dies­mal für den lin­ken Ven­tri­kel. Nach inten­si­ver Suche gelang es schließ­lich, die opti­male Kon­struk­tion und Mate­ri­al­ab­stim­mung dafür zu fin­den, um den ana­to­mi­schen Vor­aus­set­zun­gen und Drü­cken in der lin­ken Herz­kam­mer zu entsprechen.

Die Nova­Pump GmbH arbei­tet nun mit Hoch­druck daran, diese The­ra­pie­sys­teme für Akut­pa­ti­en­tin­nen und ‑pati­en­ten welt­weit ver­füg­bar zu machen. »Wir wol­len damit Leben ret­ten«, sagt Ronald Reich. »Unsere per­ku­ta­nen Herz­pum­pen sol­len ins­be­son­dere dort zum Ein­satz kom­men, wenn sich akute Herz­er­eig­nisse, z. B. ein Herz­in­farkt oder kar­dio­ge­ner Schock, ereig­net haben und der Kreis­lauf bin­nen Minu­ten sta­bi­li­siert und unter­stützt wer­den muss. Ent­schei­dend ist eine sichere und kom­pli­ka­ti­ons­freie Hand­ha­bung der Pum­pen bei maxi­ma­lem Pati­en­ten­nut­zen, um die heu­tige noch hohe Mor­ta­li­täts­rate von bis zu 50 % nach die­sen Akut­ereig­nis­sen wei­ter zu sen­ken«, führt der Geschäfts­füh­rer wei­ter aus.