Aktuelles › Fraun­ho­fer IOF · Mobi­ler 3D-Scan­ner misst Objekte im Handumdrehen

goSCOUT3D ermög­licht fle­xi­ble drei­di­men­sio­nale Mes­sung kom­ple­xer Objekte

Vir­tu­elle 3D-Modelle rea­ler Objekte, soge­nannte »digi­tale Zwil­linge«, bie­ten zahl­rei­che Vor­teile – sei es für die Digi­ta­li­sie­rung oder in der Qua­li­täts­kon­trolle der indus­tri­el­len Fer­ti­gung. Doch je kom­ple­xer ein Objekt, umso schwe­rer lässt sich des­sen Form mes­sen und in ein 3D-Modell über­füh­ren. For­schende des Fraun­ho­fer-Insti­tuts für Ange­wandte Optik und Fein­me­cha­nik IOF haben nun in Koope­ra­tion mit der MTU Main­ten­ance einen trag­ba­ren Sen­sor ent­wi­ckelt, der eine beson­ders fle­xi­ble 3D-Erfas­sung z. B. von Flug­zeug­trieb­wer­ken ermög­licht. Der Hand­scan­ner mit Namen goSCOUT3D wird auf den Fach­mes­sen OPIE’23 in Yoko­hama vom 19. bis 21. April sowie auf der CONTROL in Stutt­gart vom 9. bis 12. Mai erst­mals der Öffent­lich­keit vorgestellt.

Egal, ob bei einer vir­tu­el­len Tour durch das Museum oder bei der digi­ta­len Erfas­sung von Bau­tei­len und Anla­gen in der Indus­trie: Detail­ge­treue 3D-Modelle hel­fen dabei, Objekte und Gegen­stände aus der rea­len Welt in die digi­tale Sphäre zu über­set­zen. Sie ermög­li­chen eine hohe Detail­ge­nau­ig­keit, wodurch selbst kleinste Schrau­ben an tech­ni­schen Anla­gen erkannt wer­den kön­nen. Die­sen Vor­teil hatte auch die MTU Main­ten­ance in Han­no­ver, welt­weit füh­ren­der Anbie­ter von Instand­hal­tungs­leis­tun­gen für Luft­fahrt­an­triebe, vor Augen. Für die Doku­men­ta­tion des Ein­gangs- und Aus­gangs­zu­stands von Trieb­wer­ken wünsch­ten sich die Exper­tin­nen und Exper­ten der MTU eine unkom­pli­zierte und anwen­der­freund­li­che Lösung zur voll­stän­di­gen drei­di­men­sio­na­len Digi­ta­li­sie­rung. Bis­her ver­wen­dete das Unter­neh­men klas­si­sche Kom­pakt­ka­me­ras, mit denen ledig­lich Fotos von typi­schen (Defekt-)Stellen ange­fer­tigt wer­den konn­ten und die Trieb­werke nur unvoll­stän­dig erfasst wurden.

Voll auto­ma­ti­sierte und mobile Ver­mes­sung drei­di­men­sio­na­ler Objekte

Mit die­sen Anfor­de­run­gen wandte sich die MTU an die For­schen­den des Fraun­ho­fer IOF, die einen neu­ar­ti­gen 3D-Scan­ner ent­wi­ckelt haben. Die­ser ermög­licht künf­tig eine fle­xi­ble, ein­fa­che und zeit­spa­rende drei­di­men­sio­nale Mes­sung der Trieb­werke. Bequem von Hand lässt sich goSCOUT3D um das zu mes­sende Trieb­werk füh­ren und erstellt auto­ma­tisch ein 3D-Modell, wel­ches hoch­auf­ge­löste Form‑, Farb- und Tex­tur­in­for­ma­tio­nen ent­hält. »goSCOUT3D ermög­licht einen voll auto­ma­ti­sier­ten Ablauf bei der Mes­sung: von der Bild­auf­nahme bis hin zur Gene­rie­rung des kom­plet­ten Farb- bzw. tex­tu­rier­ten 3D-Modells«, erklärt Dr. Ste­fan Heist vom Fraun­ho­fer IOF. Gemein­sam mit sei­nem Team hat der For­scher goSCOUT3D entwickelt.

Ein biss­chen sieht goSCOUT3D aus wie eine über­di­men­sio­nale Taschen­lampe – denn neben einer hoch­auf­lö­sen­den Farb­ka­mera sowie einer iner­tia­len Mess­ein­heit und einem Dis­play mit Touch­screen ist ein Ring­licht das visu­ell auf­fäl­ligste Merk­mal des neuen Sen­sors. Die­ses dient der Aus­leuch­tung der Mess­szene, um die für den hand­ge­hal­te­nen Betrieb erfor­der­li­chen kur­zen Belich­tungs­zei­ten zu ermög­li­chen. »Dadurch kön­nen weit über ein­tau­send Bil­der auf­ge­nom­men und ver­ar­bei­tet wer­den. Bei einer stan­dard­mä­ßi­gen Mess­ent­fer­nung von einem Meter und einem Bild­feld von etwa einem Qua­drat­me­ter errei­chen wir somit eine außer­or­dent­lich hohe Auf­nah­me­ge­schwin­dig­keit von bis zu 6 m² Objekt­ober­flä­che pro Minute«, erläu­tert Marc Preiß­ler, Mit­ent­wick­ler von goSCOUT3D. Die inte­grierte 20-Mega­pi­xel-Farb­ka­mera ermög­licht eine beson­ders hohe räum­li­che Auf­lö­sung von weni­ger als 0,25 Mil­li­me­tern. Das Gewicht des Sen­sor­kop­fes liegt bei etwa 1,3 kg. Die Ver­sor­gung mit Strom erfolgt über Akkus, die einen unun­ter­bro­che­nen Betrieb über meh­rere Stun­den ermög­li­chen. Auf diese Weise wird der Hand­scan­ner beson­ders mobil und fle­xi­bel einsetzbar.

goSCOUT3D erwei­tert das Prin­zip der Fotogrammetrie

Doch wie genau erzeugt goSCOUT3D nun die gewünsch­ten 3D-Modelle? Zu die­sem Zweck nutzt der Sen­sor das Prin­zip der soge­nann­ten Foto­gram­me­trie. »Bei die­sem Mess­ver­fah­ren wer­den hoch­auf­lö­sende zwei­di­men­sio­nale Farb­bil­der von der zu mes­sen­den Szene aus vie­len ver­schie­de­nen Blick­win­keln auf­ge­nom­men«, erklärt Ste­fan Heist. Das bedeu­tet: Von Hand wird der Sen­sor ein­mal um das Objekt geführt. »Anschlie­ßend wer­den in der Foto­stre­cke mar­kante Objekt­punkte iden­ti­fi­ziert. Tau­chen diese in meh­re­ren Bil­dern auf, kön­nen wir über das Prin­zip der Tri­an­gu­la­tion die zuge­hö­ri­gen 3D-Punkte und schluss­end­lich die 3D-Daten der gesam­ten Szene berechnen.«

Eine beson­dere Her­aus­for­de­rung für die For­schen­den war die zügige Ver­ar­bei­tung der 2D-Bil­der. »Für die 3D-Erfas­sung wird eine Viel­zahl hoch­auf­ge­lös­ter Ein­zel­auf­nah­men in guter Bild­qua­li­tät benö­tigt. Die ent­spre­chende Ver­ar­bei­tung die­ser Ein­zel­bil­der ist typi­scher­weise sehr zeit­in­ten­siv«, erläu­tert Ste­fan Heist das Aus­gangs­pro­blem. Den For­schen­den aus Jena ist es jedoch gelun­gen, das Prin­zip der Foto­gram­me­trie um die Posi­ti­ons- und Ori­en­tie­rungs­da­ten einer iner­tia­len Mess­ein­heit (IMU) zu ergän­zen. Diese erlau­ben somit die grobe Bestim­mung der Sen­sor­be­we­gung und dadurch die Aus­wahl von Bil­dern mit über­lap­pen­den Bild­in­hal­ten. »Steckt man die­ses Vor­wis­sen in die foto­gram­me­tri­sche Aus­wer­tung, kann die Rechen­zeit spe­zi­ell bei kom­ple­xen Mess­ob­jek­ten um mehr als die Hälfte redu­ziert wer­den«, fasst Marc Preiß­ler zusam­men. Bereits inner­halb weni­ger Minu­ten kann auf diese Weise bereits ein 3D-Modell erstellt werden.

Die MTU zeigt sich mit der neuen Anwen­dung hoch­zu­frie­den. »goSCOUT3D ermög­licht uns eine ganz­heit­li­che und detail­ge­treue Ansicht unse­rer Trieb­werke in 3D und 2D inklu­sive Navi­ga­ti­ons­mög­lich­kei­ten«, sagt Dr. Frank Sei­del, Lei­ter für Repair Deve­lo­p­ment bei der MTU Main­ten­ance. »Die fle­xi­ble Nutz­bar­keit des Scan­sys­tems in der Pro­duk­ti­ons­um­ge­bung, die ein­heit­li­che Doku­men­ta­ti­ons­struk­tur bei der Auf­nahme der Bef­und­da­ten sowie deren Ver­wen­dung in unse­ren Qua­li­täts- und Ana­ly­se­tools wird zu einer deut­li­chen Effi­zi­enz­stei­ge­rung führen.«

Fle­xi­bles 3D-Mess­sys­tem für Digi­ta­li­sie­rung und Dokumentation

Doch mit goSCOUT3D haben die For­schen­den einen Sen­sor ent­wi­ckelt, der nicht nur Anwen­dungs­po­ten­ziale in der Luft­fahrt­in­dus­trie bie­tet, son­dern weit dar­über hin­aus. Durch die Visua­li­sie­rung und Ana­lyse von Objek­tei­gen­schaf­ten bie­tet sich der Scan­ner für den Ein­satz in der Medi­zin, in der For­schung und Wis­sen­schaft oder auch für die Bereit­stel­lung von Daten für Aug­men­ted-Rea­lity-Anwen­dun­gen an. »Wir geben Nut­ze­rin­nen und Nut­zern mit goSCOUT3D – im wahrs­ten Sinne des Wor­tes – ein fle­xi­bles 3D-Sen­sor­sys­tem an die Hand, das neue Mög­lich­kei­ten in der Digi­ta­li­sie­rung und Doku­men­ta­tion von Objek­ten bie­tet«, resü­miert Ent­wick­ler Ste­fan Heist.

Erst­ma­lige Prä­sen­ta­tion auf Fach­mes­sen in Deutsch­land und Japan

goSCOUT3D wird in Kürze auf zwei Fach­mes­sen erst­mals der Öffent­lich­keit vor­ge­stellt: Mit der OPIE’23 lädt Japan Optik- und Pho­to­nik-Enthu­si­as­ten aus aller Welt vom 19. bis 21. April nach Yoko­hama ein. Der Mes­se­auf­tritt des Fraun­ho­fer IOF wird im Ger­man Pavil­lon, Stand C‑32–9, zu fin­den sein. Wei­ter­hin wird der Hand­scan­ner auf der CONTROL, einer inter­na­tio­na­len Fach­messe für Tech­no­lo­gien zur Qua­li­täts­si­che­rung, vom 9. bis 12. Mai in Stutt­gart prä­sen­tiert. Hier wird das Fraun­ho­fer IOF an Stand 6301 in Halle 6 ausstellen.

Die­ses Vor­ha­ben wurde mit Mit­teln des Bun­des­mi­nis­te­ri­ums für Bil­dung und For­schung im Rah­men des Luft­fahrt­for­schungs­pro­gramms V‑3 des Bun­des­mi­nis­te­ri­ums für Wirt­schaft und Klima unter dem För­der­kenn­zei­chen 20X1723A gefördert.

Unter fol­gen­dem Link fin­den Sie die Pres­se­mit­tei­lung sowie Bildmaterial:
https://s.fhg.de/goSCOUT3D-23