Aktuelles › Infec­to­Gno­stics – Stu­die zu SARS-CoV‑2

Handy- und Genom­da­ten erlau­ben gezielte Nach­ver­fol­gung von Infektionswegen

Um die Aus­brei­tung von Krank­heits­er­re­gern wie SARS-CoV‑2 geziel­ter zu ver­fol­gen, kön­nen anony­mi­sierte Mobil­funk­da­ten und andere Meta­da­ten (wie Post­leit­zah­len) mit Genom­da­ten kom­bi­niert wer­den. Eine sys­te­ma­ti­sche Aus­wer­tung sol­cher kom­bi­nier­ten Daten­pools wurde nun von Wis­sen­schaft­lern des Jenaer Start­ups nano­zoo GmbH und des Uni­ver­si­täts­kli­ni­kums Jena (UKJ) – beide Part­ner im Infec­to­Gno­stics For­schungs­cam­pus Jena – vor­ge­stellt. Die Ergeb­nisse der Stu­die hat das Team unter dem Titel „Lever­aging mobi­lity data to ana­lyze per­sis­tent SARS-CoV‑2 muta­ti­ons and inform tar­ge­ted geno­mic sur­veil­lance“ im Open-Access-Jour­nal eLife publi­ziert (DOI: 10.7554/eLife.94045.3).

Die SARS-CoV-2-Pan­de­mie hat gezeigt, wie wich­tig eine früh­zei­tige Ver­fol­gung von Aus­brü­chen und Infek­ti­ons­we­gen ist. Eine effek­tive Über­wa­chung des Infek­ti­ons­ge­sche­hens setzt aller­dings eine exakte und res­sour­cen­spa­rende Aus­wer­tung von Daten vor­aus, die auch tat­säch­lich zu trag­fä­hi­gen Vor­her­sa­gen füh­ren. Der UKJ-Dok­to­rand Ric­cardo Spott konnte nun gemein­sam mit ande­ren Infec­to­Gno­stics-For­schern des UKJ und von nano­zoo zei­gen, dass Ser­vice­da­ten von Han­dys in Kom­bi­na­tion mit hoch auf­ge­lös­ten Meta­da­ten (wie Post­leit­zah­len und Genom­da­ten) tat­säch­lich die Beob­ach­tung des Infek­ti­ons­ge­sche­hens im Bun­des­land Thü­rin­gen ver­bes­sern kön­nen. Bei Krank­heits­aus­brü­chen könnte mit­tels einer sol­cher Daten­aus­wer­tung künf­tig eine geziel­tere Tes­tung und Qua­ran­täne erfolgen.

Die For­scher leg­ten bei ihrer Aus­wer­tung Wert dar­auf, dass die Daten anonym ver­ar­bei­tet wer­den, wie Dr. Chris­tian Brandt, UKJ-For­scher und Mit­be­grün­der von nano­zoo, erläu­tert: „Die Mobil­funk­da­ten haben wir als agg­re­gierte Daten­pools erhal­ten, mit Sequenz­da­ten kom­bi­niert und hin­sicht­lich auf­fäl­li­ger Ver­brei­tungs­mus­ter­ana­ly­siert. Das ist so als ob man von oben auf eine Amei­sen­straße schaut: Man sieht die Gesamt­heit der Bewe­gun­gen, aber man kann keine ein­zelne Ameise herauspicken.“

In der Stu­die wur­den über einen Zeit­raum von neun Mona­ten mehr als 6.500 SARS-CoV‑2 Alpha-Genome (B.1.1.7) in Thü­rin­gen sequen­ziert. Die Daten wur­den um Iso­la­ti­ons­da­ten der Pati­en­ten und deren Post­leit­zah­len ergänzt. Zusätz­lich wur­den über 136.000 öffent­lich zugäng­li­che deut­sche Alpha-Genome sowie Handy-Ser­vice­da­ten für Thü­rin­gen in die Ana­lyse ein­be­zo­gen. Dabei iden­ti­fi­zierte das Team neun rele­vante Muta­ti­ons­va­ri­an­ten des Virus in Thü­rin­gen, die in sie­ben sepa­rate Ver­wandt­schafts­grup­pen (phy­lo­ge­ne­ti­sche Clus­ter) mit unter­schied­li­chen Aus­brei­tungs­mus­tern in Thü­rin­gen eingeteilt
wurden.

Ein­satz von Han­dy­da­ten zur bes­se­ren Probennahme
Durch diese Ver­knüp­fung von Genom- und Mobil­funk­da­ten konn­ten die Wis­sen­schaft­ler die Aus­brei­tung der Alpha-Linie des Corona-Virus in Thü­rin­gen genau nach­zeich­nen. Auch das Risiko der Ver­zer­rung von epi­de­mio­lo­gi­schen Daten wurde anhand einer spe­zi­el­len Muta­tion nach­ge­wie­sen – ein Fak­tor, der zur Opti­mie­rung künf­ti­ger Aus­wer­tun­gen genutzt wer­den kann. Dar­über hin­aus ermög­licht die­ser Ansatz auch eine geziel­tere Tes­tung: Mit zusätz­li­chen Daten einer Omi­kron-Unter­li­nie (BQ.1.1) konn­ten die Infec­to­Gno­stics-Part­ner zei­gen, dass sol­che Ana­ly­sen auch zur akti­ven Steue­rung der Pro­ben­nahme wäh­rend regio­na­ler Aus­brü­che einer Infek­ti­ons­krank­heit genutzt wer­den kön­nen. Ein Bun­des­land wie Thü­rin­gen könnte künf­tige Epi­de­mien damit effi­zi­en­ter überwachen.

Prof. Dr. Mathias Pletz, Lei­ter der Infek­ti­ons­me­di­zin am Uni­ver­si­täts­kli­ni­kum Jena und Mit­glied im erwei­ter­ten Infec­to­Gno­stics-Vor­stand, erklärt: „Die Aus­brei­tung von Viren folgt oft den Wegen mensch­li­cher Mobi­li­tät. Mit anony­mi­sier­ten Mobil­funk­da­ten und fort­schritt­li­chen mole­ku­la­ren Tech­ni­ken gelingt es uns, diese Wege zu kar­tie­ren und vor­her­zu­se­hen.“ Dies trage laut Pletz wesent­lich dazu bei, die räum­li­che Aus­brei­tung eines Erre­gers – die stark zwi­schen Regio­nen vari­ie­ren kann – genauer vor­her­zu­sa­gen und die Maß­nah­men zur Tes­tung und Infek­ti­ons­kon­trolle ziel­ge­nauer einzusetzen.

Publi­ka­tion:
Ric­cardo Spott, Mathias W Pletz, Caro­lin Fleisch­mann-Stru­zek, Aure­lia Kim­mig, Chris­tiane Had­lich, Mat­thias Hau­ert, Mara Lohde, Mate­usz Jund­zill, Mike Mar­quet, Petra Dick­mann, Ruben Schüch­ner, Mar­tin Höl­zer, Denise Küh­nert, Chris­tian Brandt (2025): Lever­aging mobi­lity data to ana­lyze per­sis­tent SARS-CoV‑2 muta­ti­ons and inform tar­ge­ted geno­mic sur­veil­lance, eLife 13:RP94045.

DOI: 10.7554/eLife.94045.3

Über den Infec­to­Gno­stics For­schungs­cam­pus Jena
Der Infec­to­Gno­stics For­schungs­cam­pus Jena beschrei­tet als öffent­lich-pri­vate Part­ner­schaft neue Wege in der Vor-Ort-Dia­gnos­tik von Infek­tio­nen und Erre­gern, wie z.B. Viren, Bak­te­rien und Pil­zen. Infec­to­Gno­stics wird durch das BMBF im Rah­men der För­der­initia­tive „For­schungs­cam­pus – öffent­lich-pri­vate Part­ner­schaft für Inno­va­tio­nen“ sowie als Inno­va­ti­ons­clus­ter durch den Frei­staat Thü­rin­gen geför­dert. Etwa die Hälfte des benö­tig­ten Etats finan­zie­ren die betei­lig­ten Partner.