Aktuelles › Erste Fach­kräf­te­stu­die zeigt Jenaer Personal-Engpässe

Wirt­schafts­för­de­rung Jena unter­sucht kon­krete Bedarfe der loka­len Wirtschaft

Aus­rei­chend und vor allem die rich­ti­gen Arbeits­kräfte zu fin­den, bleibt die größte Her­aus­for­de­rung für die Jenaer Unter­neh­men von Hand­werk bis High-Tech in den nächs­ten Jah­ren und Jahr­zehn­ten. Beson­ders in der Gesund­heits­wirt­schaft, im ver­ar­bei­ten­den Gewerbe und im IT-Bereich über­steigt der Per­so­nal-Bedarf das ver­füg­bare „Poten­tial“. Zu die­sem Ergeb­nis kommt die erste Fach­kräf­te­stu­die Jena, die die Wirt­schafts­för­de­rung Jena (Jena­Wirt­schaft) gemein­sam mit dem Zen­trum für Sozi­al­for­schung Halle e.V. (ZSH) ver­öf­fent­licht hat. Die Stu­die unter­sucht erst­mals die per­so­nel­len Ersatz- und Erwei­te­rungs­be­darfe der Jenaer Unter­neh­men hin­sicht­lich ver­schie­de­ner Wachs­tums­sze­na­rien und macht wich­tige Kenn­zif­fern und Ent­wick­lun­gen zum Bedarf der loka­len Wirt­schaft sicht­bar. Beglei­tet wurde die­ser Pro­zess durch eine Len­kungs­gruppe mit Ver­tre­te­rin­nen und Ver­tre­ter aus Wirt­schaft, Wis­sen­schaft, Ver­bän­den sowie der Agen­tur für Arbeit.

„Unser Ziel war es, das all­ge­meine Bauch­ge­fühl zum viel­zi­tier­ten Fach­kräf­te­man­gel mit kon­kre­ten Daten und Zah­len in Bezug auf den Stand­ort Jena zu unter­set­zen“, erläu­tert Jena­Wirt­schaft-Chef Wil­fried Röpke. „Wir schaf­fen eine fak­ten­ba­sierte Grund­lage für die Fach­kräf­t­eher­aus­for­de­rung in Jena für kom­mu­nale Ent­schei­dungs­trä­ger, die Ver­wal­tung und unsere Koope­ra­ti­ons­part­ner.“ Die erste Jenaer Fach­kräf­te­stu­die unter­sucht, aus­ge­hend vom aktu­el­len Sta­tus Quo und diver­sen Pro­gno­sen zur wirt­schaft­li­chen und Bevöl­ke­rungs­ent­wick­lung am Stand­ort, die Per­so­nal­be­darfe der Jenaer Wirt­schaft nach Bran­chen, Qua­li­fi­ka­ti­ons­struk­tu­ren und wei­te­ren Fak­to­ren bis zum Jahr 2030. Gleich­zei­tig wer­den die­sen Bedar­fen die „anti­zi­pier­ten endo­ge­nen und exo­ge­nen Arbeits­kräf­te­po­ten­ziale gegen­über­ge­stellt“, wie es in der Unter­su­chung heißt. Es wird also geschaut, wo poten­ti­elle neue Arbeit­neh­mende her­kom­men könn­ten. Endo­gen – also aus dem „Inne­ren“ von Jena bzw. exo­gen, von außerhalb.

Und was bedeu­tet das für Jena? „Die Stu­die bestä­tigt, dass die starke Wachs­tums­phase der letz­ten Dekade nicht in die­ser Form wei­ter­geht“, so Röpke. „Auf uns kommt in den nächs­ten Jah­ren und Jahr­zehn­ten eine umfas­sende Ver­ren­tungs­welle zu. Allein um diese zu kom­pen­sie­ren, brau­chen die Jenaer Unter­neh­men bis 2030 rund 17.000 neue Beschäf­tigte“, so Röpke. Um das Wachs­tum am Stand­ort wei­ter posi­tiv gestal­ten zu kön­nen sind außer­dem – je nach Wachs­tums­rate, die in der Stu­die mit einer nied­ri­gen, mitt­le­ren und hohen Vari­ante berück­sich­tigt wurde – rund 1.000 bis 7.000 neue Arbeit­neh­mende not­wen­dig.“ Zu den nach­ge­frag­tes­ten Fach­kräf­ten zäh­len Men­schen im Gesund­heits- und Sozi­al­be­reich, im ver­ar­bei­ten­den Gewerbe und in der IT-Wirt­schaft. Beson­ders wich­tig für die lokale Wirt­schaft: Per­so­nen mit klas­si­scher Berufs­aus­bil­dung. Laut Stu­die braucht Jena zu rund 53 Pro­zent Fach­kräfte mit qua­li­fi­zie­ren­dem Berufs­schul­ab­schluss. Der Teil der Men­schen mit Hoch­schul­ab­schluss am Gesamt­be­darf beträgt rund 38,3 Pro­zent. Auch Fort­bil­dungs­ab­schlüsse wie Meis­ter, Tech­ni­ker, Fach­wirte oder Poliere blei­ben sehr wich­tig mit 16,8 Pro­zent des Gesamt­be­darfs. Rund 8,6 Pro­zent des Jenaer Bedarfs bis 2030 machen Arbeits­kräfte ohne Berufs­ab­schluss aus.

Und wo sol­len diese Fach­leute her­kom­men? „Die Bewer­tung der endo­ge­nen und exo­ge­nen Poten­tiale in der Stu­die ist sehr span­nend“, resü­miert Wil­fried Röpke. Zum soge­nann­ten endo­ge­nen Poten­tial – also den Men­schen vor Ort – zäh­len die Schul­ab­gän­ger, Stu­die­rende und Absol­ven­ten der Hoch­schu­len, inner­be­trieb­li­che Poten­tiale – also die­je­ni­gen, die bereits hier sind, lang­fris­tig zu bin­den – sowie Men­schen, die bis­lang Teil­zeit arbei­ten oder arbeits­los sind. Das Fazit der Stu­die: das endo­gene Poten­tial Jenas – laut Stu­die rund 7.840 Per­so­nen bis 2030 – reicht nicht aus, um die Fach­kräf­te­lü­cke zu schließen.

Und wie sieht es laut Fach­kräf­te­stu­die bei den exo­ge­nen Poten­tia­len, also Men­schen von außer­halb aus? Die Zahl der Ein­pen­deln­den aus dem direk­ten Jenaer Umland wird auf­grund der demo­gra­fi­schen Ent­wick­lung rück­läu­fig sein: 2018 lag der Jenaer Pend­ler­saldo – also die Dif­fe­renz zwi­schen Ein- und Aus­pen­deln­den – bei einem Plus von rund 14.800 Per­so­nen. Die Stu­die pro­gnos­ti­ziert, dass die­ser Pend­ler­saldo bis 2030 in der mitt­le­ren Wachs­tums­va­ri­ante auf ein Plus von nur noch rund 12.970 Per­so­nen sin­ken wird, weil das Jenaer Umland in noch stär­ke­rem Maße als die Stadt selbst vom demo­gra­fi­schen Wan­del betrof­fen sein wird. Da die­ser Wan­del ganz Deutsch­land betrifft, stellt auch der Zuzug aus ande­ren Regio­nen für Jena nur ein begrenz­tes Poten­tial dar. Hier kön­nen laut Stu­die aber gute Lebens- und Arbeits­be­din­gun­gen mit einem Fokus auf die Fami­li­en­freund­lich­keit vor Ort beson­ders inter­es­sant für Rück­keh­rende sein.

Das wich­tigste Poten­tial für Jena ist laut den Fach­leu­ten des Zen­trums für Sozi­al­for­schung Halle die Außen­wan­de­rung, also der Zuzug aus­län­di­scher Fach­kräfte.  ZSH-Geschäfts­füh­re­rin Susanne Winge bestä­tigt Jena dafür gute Vor­aus­set­zun­gen: „Jena ist im Thü­rin­ger Ver­gleich schon rela­tiv inter­na­tio­nal auf­ge­stellt. Wich­tig ist aber, die Rah­men­be­din­gun­gen für inter­na­tio­nale Fach­kräfte aktiv posi­tiv zu gestal­ten und neben guten Arbeits- und Lebens­be­din­gun­gen eine tat­säch­li­che Will­kom­mens­kul­tur zu eta­blie­ren, die ein wirk­li­ches Ankom­men vor Ort und eine gelebte Inte­gra­tion gewähr­leis­tet.“ Der­zeit arbei­ten rund 3.500 inter­na­tio­nale Fach­kräfte in Jena; das Poten­tial liege bei bis zu 10.600 Men­schen bis 2030, so die Expertin.

Neben der umfas­sen­den Ana­lyse des Fach­kräfte-Pro­blems gibt die Stu­die auch eine Reihe von Hand­lungs­emp­feh­lun­gen vor. Aus­ge­hend von die­sen Emp­feh­lun­gen erar­bei­tet die Wirt­schafts­för­de­rung Jena gemein­sam mit der Len­kungs­gruppe zur Stu­die und der Jenaer Alli­anz für Fach­kräfte bis Jah­res­ende einen umfang­rei­chen Maß­nah­men­ka­ta­log. Neben einer stra­te­gi­schen Ver­or­tung des The­mas soll es um kon­krete lokale Lösungs­an­ge­bote gehen. Lösun­gen, die drin­gend not­wen­dig sind: Denn wie aus­schlag­ge­bend das Pro­blem für den Stand­ort Jena ist, bestä­tigt auch eine Unter­neh­mens­be­fra­gung von Jena­Wirt­schaft: Dort war gefragt wor­den, wel­che Her­aus­for­de­rung vor Ort das größte Wachs­tums­hemm­nis für die lokale Wirt­schaft dar­stelle. Die meist­ge­ge­bene Ant­wort, noch vor der Ver­füg­bar­keit von Gewer­be­flä­chen: Feh­lende Fachkräfte.

Hin­ter­grund:

Der Jenaer Arbeits­markt hat sich in den letz­ten zehn Jah­ren in Bezug auf die Beschäf­tig­ten­zahl und Arbeits­lo­sen­quote äußerst posi­tiv ent­wi­ckelt. Die Zahl der Beschäf­tig­ten wuchs zwi­schen 2008 bis 2018 von 45.842 auf 56.542 (+10.700 Per­so­nen). Dies ent­spricht einem Wachs­tum von 2,2 Pro­zent pro Jahr bzw. 23 Pro­zent ins­ge­samt. Aus­rei­chend und vor allem die rich­ti­gen Fach­kräfte zu fin­den, bleibt die größte Her­aus­for­de­rung für den Erfolg des Wirt­schafts­stand­orts Jena in den nächs­ten Jah­ren und Jahr­zehn­ten. Um die kon­kre­ten Ersatz- und Erwei­te­rungs­be­darfe der loka­len Wirt­schaft und mög­li­che Poten­tiale für den Jenaer Arbeits­markt zu ana­ly­sie­ren,  erstellte die Wirt­schafts­för­de­rungs­ge­sell­schaft Jena mbH (Jena­Wirt­schaft) in Koope­ra­tion mit dem Zen­trum für Sozi­al­for­schung Halle e.V. (ZSH) erst­mals eine „Fach­kräf­te­stu­die Jena 2030“.

Die Erstel­lung der Stu­die wurde von Jena­Wirt­schaft inhalt­lich vor­be­rei­tet und mit dem Auf­trag­neh­mer abge­stimmt. Beglei­tet wurde die Unter­su­chung durch eine Len­kungs­gruppe, bestehend aus fach­lich bestimm­ten Ver­tre­te­rin­nen und Ver­tre­tern der Wirt­schaft, Wis­sen­schaft, den Ver­bän­den sowie der Agen­tur für Arbeit:

  • Tho­mas Bauer, Geschäfts­füh­rer Opto­Net e.V. (Optik/ Photonik)
  • Prof. Dr. Michael Behr, Thü­rin­ger Minis­te­rium für Arbeit, Sozia­les, Gesund­heit, Frauen und Familie
  • Mar­tin Ber­ger, Stadt­ver­wal­tung Jena
  • Hol­ger Bock, Vor­sit­zen­der der Geschäfts­füh­rung der Agen­tur für Arbeit Jena
  • Prof Dr. Cant­ner, Fried­rich-Schil­ler-Uni­ver­si­tät Jena und Vor­sit­zen­der Kura­to­rium des Jenaer Bünd­nis für Fami­lie, und Dr. habil Hol­ger Graf, Fried­rich-Schil­ler-Uni­ver­si­tät Jena
  • Dr. Eike Dazert, Geschäfts­füh­re­rin med­ways e.V. (Gesund­heits­wirt­schaft)
  • Frank Heuer, Inter­es­sen­ge­mein­schaft Gewer­be­ge­biet Jena-Süd (IGJS)
  • Miha­jlo Kola­ko­vic, Auf­sichts­rat der Wirt­schafts­för­de­rungs­ge­sell­schaft Jena mbH
  • Manuela Vogt, Kreis­hand­wer­ker­schaft Jena/SHK
  • Lei­tung: Wil­fried Röpke und Ramona Schei­ding, Wirt­schafts­för­de­rungs­ge­sell­schaft Jena mbH

Die voll­stän­dige Pres­se­mit­tei­lung inklu­sive Bild­ma­te­rial und einer Kurz­fas­sung der Stu­die fin­den Sie hier.