Aktuelles › Fraun­ho­fer IOF · Neues opti­sches Beschich­tungs­sys­tem ver­hin­dert Beschla­gen und uner­wünschte Reflexionen

Tech­no­lo­gie ver­bes­sert die Leis­tung von LiDAR sowie wei­te­ren Sen­sor- und Kamerasystemen

Opti­ken, die nicht beschla­gen und kaum reflek­tie­ren – das ist künf­tig dank eines neuen opti­schen Beschich­tungs­sys­tems mög­lich. Die von For­schen­den des Fraun­ho­fer-Insti­tuts für Ange­wandte Optik und Fein­me­cha­nik IOF ent­wi­ckelte Tech­no­lo­gie soll dazu bei­tra­gen, die Leis­tung von LiDAR-Sys­te­men und Kame­ras etwa in auto­nom fah­ren­den Autos zu ver­bes­sern. Das For­schungs­team prä­sen­tiert das neue Ver­fah­ren nun mit einem Bei­trag in der Fach­zeit­schrift »Applied Optics«.

»Wenn man von der Kälte in einen war­men Raum kommt, kann die Brille beschla­gen und somit die Sicht des Bril­len­trä­gers stark ein­schrän­ken«, sagt Anne Gärt­ner. »Das Glei­che kann auch bei Sen­so­ren wie den LiDAR-Sys­te­men in auto­nom fah­ren­den Autos pas­sie­ren. Hier ist es wich­tig, dass die Ober­flä­chen auch bei Beschlag hoch­trans­pa­rent blei­ben, damit die Funk­tio­na­li­tät erhal­ten bleibt.«

Gärt­ner und ihr Team haben daher ein neu­ar­ti­ges opti­sches Schicht­sys­tem ent­wi­ckelt, wel­ches genau das ver­hin­dern soll. In der Fach­zeit­schrift »Applied Optics«, her­aus­ge­ge­ben von der Optica Publi­shing Group, beschrei­ben die For­schen­den, wie sie eine Poly­mer­be­schich­tung mit porö­sen Sili­zi­um­di­oxid-Nano­struk­tu­ren kom­bi­niert haben. Die Poly­mer­be­schich­tung ver­hin­dert dabei das Beschla­gen, wäh­rend die Nano­struk­tu­ren gleich­zei­tig Refle­xio­nen ver­rin­gern. Obwohl die in der Arbeit beschrie­be­nen Beschich­tun­gen spe­zi­ell für LiDAR-Sys­teme ent­wi­ckelt wur­den, kann die Tech­no­lo­gie für viele ver­schie­dene Anwen­dun­gen maß­ge­schnei­dert wer­den. LiDAR (engl.: »Light detec­tion and ran­ging«) meint dabei Laser­sys­teme, die zur opti­schen Abstands- und Geschwin­dig­keits­mes­sung ver­wen­det werden.

Beschlags­min­dern­des und anti­re­flek­tie­ren­des Beschich­tuns­sys­tem zur Ver­bes­se­rung von bei­spiels­weise Lidar-Systemen.

Opti­sches Beschich­tungs­sys­tem gewährt klare Sicht

Das neu­ar­tige Schicht­sys­tem beruht auf der am Fraun­ho­fer IOF ent­wi­ckel­ten AR-plas2 Tech­no­lo­gie und wurde im Rah­men der Zusam­men­ar­beit mit Leica Geo­sys­tems AG aus Heer­brugg in der Schweiz auf deren Anfor­de­run­gen hin ange­passt. Leica Geo­sys­tems ent­wi­ckelt luft­ge­stützte LiDAR-Mess­sys­teme, die für die Gelände- und Städ­te­kar­tie­rung ein­ge­setzt wer­den. Bei extre­men Tem­pe­ra­tur­un­ter­schie­den zwi­schen der Umge­bung und dem Mess­sys­tem kann es zum Beschla­gen der opti­schen Ober­flä­chen kom­men, was zu einer Beein­träch­ti­gung der Funk­tio­na­li­tät füh­ren würde. Um dies zu ver­hin­dern, ent­wi­ckelte Gärt­ners Team dar­auf­hin in Zusam­men­ar­beit mit Leica Geo­sys­tems eine Lösung, die sowohl das Beschla­gen als auch uner­wünschte Licht­re­fle­xio­nen in den Griff bekam.

»Wir haben ein Poly­mer ver­wen­det, das das Beschla­gen einer opti­schen Ober­flä­che ver­hin­dert, indem es als Was­ser­spei­cher dient«, erklärt Gärt­ner. »Die Unter­schiede in den Bre­chungs­in­di­zes des Poly­mer­ma­te­ri­als und der umge­ben­den Luft füh­ren jedoch zu uner­wünsch­ten Refle­xio­nen und Geis­ter­licht im opti­schen Sys­tem. Um diese Refle­xio­nen zu ver­hin­dern, haben wir die Anti­be­schlag-Schicht mit sehr klei­nen Struk­tu­ren – bis zu 320 nm hoch – kom­bi­niert, um eine Anti­re­flex­wir­kung bei gleich­zei­ti­ger Was­ser­durch­läs­sig­keit zu erreichen.«

Meh­rere Nano­struk­tu­ren über­ein­an­der ver­hin­dern Reflexionen

Mit der AR-plas2-Tech­no­lo­gie las­sen sich meh­rere Nano­struk­tu­ren über­ein­an­der erzeu­gen. Dabei wird eine Nano­struk­tur in die Anti­be­schlag-Schicht geätzt und anschlie­ßend eine zweite Nano­struk­tur dar­über her­ge­stellt. Mit die­ser Tech­no­lo­gie ist es mög­lich, die Bre­chungs­in­di­zes der Nano­struk­tu­ren anzu­pas­sen und das Design der dop­pel­ten Nano­struk­tur so zu gestal­ten, dass eine sehr geringe Refle­xion über einen brei­ten Spek­tral­be­reich erreicht wird.

Die For­schen­den tes­te­ten die Anti­re­fle­xi­ons- und Anti­be­schlag­wir­kung ihres Beschich­tungs­sys­tems anhand von Refle­xi­ons­mes­sun­gen mit einem Spek­tral­pho­to­me­ter und Beschlag­mes­sun­gen. Diese wur­den durch­ge­führt, nach­dem die ent­spie­gelte und beschlag­freie Seite der Optik über erhitz­tes Was­ser gehal­ten wurde. Die Labor­tests zeig­ten, dass das Mehr­schicht­sys­tem eine sehr geringe Refle­xion über einen brei­ten Spek­tral­be­reich auf­weist. Mit einer ein­zel­nen Nano­struk­tur wäre dies nicht mög­lich. Dar­über hin­aus beein­träch­tig­ten die Nano­struk­tu­ren die Wir­kung der dar­un­ter lie­gen­den Anti­be­schlag-Schicht nicht. Auf­grund der berüh­rungs­emp­find­li­chen Beschaf­fen­heit der Ober­flä­che ist diese Form von Schicht­sys­tem beson­ders für innen­lie­gende Flä­chen geeignet.

Anwen­dung bei Quan­ten­com­pu­tern denkbar
Die AR-plas2-Tech­no­lo­gie kann auf fast allen Arten von Mate­ria­lien ange­wen­det wer­den: auf Poly­mere, aber auch auf Glas oder Fluo­rid­kris­talle. Sie ist daher breit ein­setz­bar, etwa für Opti­ken in der Beleuch­tung, im Auto­mo­bil- und Kon­sum­gü­ter­be­reich, aber auch für Zukunfts­tech­no­lo­gien wie dem Quan­ten­com­pu­ter. Hier ent­wi­ckeln die For­schen­den am Fraun­ho­fer IOF im Rah­men des Pro­jek­tes »Qzell« bereits Sys­teme aus opti­schen Schich­ten und Nano­struk­tu­ren für Expe­ri­mente zur Ent­wick­lung eines Quantencomputers.

»Opti­sche Sys­teme wer­den immer kom­ple­xer und damit stei­gen auch die Anfor­de­run­gen an die Bild­qua­li­tät«, sagt Gärt­ner. »Mit Nano­struk­tu­ren las­sen sich Anti­re­flex­ei­gen­schaf­ten mit beein­dru­cken­den Ergeb­nis­sen erzie­len, die mit her­kömm­li­chen Beschich­tun­gen oft nicht rea­li­sier­bar sind. Mit dem grund­le­gen­den Ver­ständ­nis, das wir in den letz­ten Jah­ren gewon­nen haben, sind wir zuver­sicht­lich, dass wir nano­struk­tu­rierte Beschich­tun­gen in viele reale Anwen­dun­gen brin­gen können.«

Ori­gi­nal-Publi­ka­tion: A Gärt­ner, A. Sab­bagh, U Schulz, F. Rickelt, A. Bin­gel, S. Wol­leb, S. Schrö­der, A. Tün­ner­mann: »Com­bi­ned anti­fog­ging and anti­re­flec­tive dou­ble nanos­truc­tu­red coa­tings for LiDAR appli­ca­ti­ons«, Applied Optics, 62, 7, pp. 112–116 (2023), DOI: 10.1364/AO.476974, URL:
https://opg.optica.org/ao/fulltext.cfm?uri=ao-62–7‑B112&id=525109

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