Aktuelles › Fraun­ho­fer IOF • Neuer 3D-Sen­sor erfasst trans­pa­rente Objekte

Fraunhofer IOF

Eine neue Mess­me­thode zur 3D-Form­er­fas­sung wurde von For­schen­den am Fraun­ho­fer-Insti­tut für Ange­wandte Optik und Fein­me­cha­nik IOF ent­wi­ckelt. Mit ihrem »MWIR-3D-Sen­sor« kön­nen sie Gegen­stände drei­di­men­sio­nal scan­nen – ganz gleich, ob sie aus trans­pa­ren­tem Kunst­stoff oder Glas bestehen. Selbst Objekte mit glän­zend metal­li­schen oder tief­schwar­zen Ober­flä­chen las­sen sich pro­blem­los erfas­sen. Auch die Kom­bi­na­tion ver­schie­de­ner Werk­stoffe ist für den neuen 3D-Infra­rot-Sen­sor kein Pro­blem. Im Bereich der 3D-Sen­so­rik ist die­ses Maß an Fle­xi­bi­li­tät bei der Beschaf­fen­heit der Mess­ob­jekte ein Novum. Anwen­dun­gen sind u. a. in den Berei­chen Qua­li­täts­kon­trolle in der Pro­duk­tion und Robo­tik denk­bar. Das Sys­tem wird seit dem 3. Mai erst­mals auf der inter­na­tio­na­len Fach­messe »Con­trol-Vir­tu­ell« präsentiert.

Glä­ser und trans­pa­rente Objekte wer­den für Maschi­nen sichtbar

Wollte man bis­her spie­gelnde, durch­sich­tige oder schwarze Ober­flä­chen mit kon­ven­tio­nel­len 3D-Scan­nern exakt ver­mes­sen, musste man zu die­sem Zweck zunächst ihre Ober­flä­che behan­deln. Das bedeu­tet: Für die Mes­sung wur­den die Objekte tem­po­rär mit Lack über­zo­gen. Nach dem Scan musste die­ser meist wie­der auf­wen­dig ent­fernt werden.

Die neu­este Erfin­dung des Fraun­ho­fer IOF macht diese unprak­ti­sche und zeit­in­ten­sive Behand­lung des Mess­ob­jek­tes künf­tig über­flüs­sig. Das Ver­fah­ren eig­net sich auf­grund der Größe des Mess­fel­des sowie der Auf­lö­sung und der Geschwin­dig­keit auch für die Qua­li­täts­kon­trolle in Pro­duk­ti­ons­pro­zes­sen oder für Anwen­dun­gen in der Automatisierung.

Mög­lich wird dies, weil es den For­schen­den des Fraun­ho­fer-Insti­tuts in Jena gelun­gen ist, Wär­me­strah­lung für die 3D-Erfas­sung nutz­bar zu machen. Die For­schen­den bezeich­nen diese Methode daher als »3D-Sen­so­rik im ther­mi­schen Infra­rot«. Herz­stück des Sys­tems ist ein ener­gie­rei­cher CO2-Laser, mit dem das Mess­ob­jekte bestrahlt wird.

Mit spe­zi­el­len Lin­sen für hohe Leis­tungs­dich­ten wird der Laser­strahl auf eine, das gesamte Objekt ver­ti­kal beleuch­tende, Linie aus­ge­wei­tet. Für ein hoch­auf­lö­sen­des Mess­ergeb­nis wird diese Linie in einer spe­zi­ell abge­stimm­ten Sequenz über das Objekt bewegt. Die Ener­gie des Laser­lichts wird vom Mess­ob­jekt absor­biert und zum Teil wie­der emittiert.

Kom­bi­na­tion aus Ther­mo­gra­fie und Triangulation

Zwei Wär­me­bild­ka­me­ras ana­ly­sie­ren diese ther­mi­sche Signa­tur, die der schmale und inten­sive Infra­rot­strei­fen auf dem Objekt hin­ter­lässt, aus zwei ver­schie­de­nen Per­spek­ti­ven. Eine selbst ent­wi­ckelte Soft­ware errech­net aus den Infor­ma­tio­nen der zwei Blick­win­kel anschlie­ßend räum­li­che Bild­punkte und fügt sie zu den exak­ten Abmes­sun­gen des Mess­ob­jek­tes zusammen.

Die für die 3D-Ana­lyse ein­ge­brachte ther­mi­sche Ener­gie ist so gering, dass das Objekt kei­nen Scha­den nimmt. Der Tem­pe­ra­tur­un­ter­schied zwi­schen erwärm­ter und nicht erwärm­ter Flä­che liegt übli­cher­weise bei unter 3 °C. Aus die­sem Grund eig­net sich das Ver­fah­ren auch für sen­si­ble Materialien.

»Mit dem Wech­sel von einem voll­flä­chi­gen Wär­me­mus­ter hin zu einem schma­len Wär­me­strei­fen ist es uns gelun­gen, die Tech­no­lo­gie so wei­ter­zu­ent­wi­ckeln, dass wir die Anfor­de­run­gen, die an einen 3D-Sen­sor im indus­tri­el­len Ein­satz gestellt wer­den, erfül­len kön­nen«, betont Mar­tin Land­mann, For­scher in der Abtei­lung »Bild­ge­bung und Sen­so­rik« am Fraun­ho­fer IOF. Gemein­sam mit sei­nem Team und einer Gruppe For­schen­der der Inno­va­ti­ons­al­li­anz »3Dsensation« arbei­tet er seit 2017 an dem System.

»Mit adap­ti­ver Spie­gel­op­tik ist es uns gelun­gen, die Leis­tung des Lasers auf eine deut­lich gerin­gere Ober­flä­che zu fokus­sie­ren und damit viel schnel­ler den not­wen­di­gen Kon­trast für die Wär­me­bild­ka­me­ras zu lie­fern. Erst dadurch war es mög­lich, bei einer Bild­feld­breite von 160 mm eine Genau­ig­keit von unter 10 µm für die 3DKoordinaten zu errei­chen«, erklärt er.

Anwen­dun­gen in der Robo­tik denkbar

Nach der erfolg­rei­chen wis­sen­schaft­li­chen Demons­tra­tion der neuen Mess­me­thode arbei­ten die For­schen­den nun inten­siv daran, das Mess­prin­zip zur Markt­reife zu trei­ben: »Für uns geht es jetzt darum, das Sys­tem aus dem Labor in die Pra­xis zu über­füh­ren«, erläu­tert Land­mann. Kon­krete Anwen­dungs­ge­biete hat er auch bereits vor Augen: »Die Para­me­ter unse­res Sys­tems las­sen es zu, dass wir es für unter­schied­li­che Anwen­dungs­sze­na­rien opti­mie­ren. Wenn wir die Auf­lö­sung auf unter 50 µm redu­zie­ren, kön­nen wir einen ste­reo­sko­pi­schen Daten­satz in unter einer Sekunde auf­neh­men und sind damit schnell genug für Anwen­dun­gen in der Robotik.«

Am Fraun­ho­fer IOF wer­den von For­schen­den der­zeit ver­schie­dene Sys­teme ent­wi­ckelt, die auf der MWIR-3D-Mess­me­thode basie­ren. Neben der Opti­mie­rung des Ver­fah­rens für ver­schie­dene Mess­sze­na­rien und der Ver­wen­dung in indus­tri­el­len Anla­gen arbei­tet das Team um Mar­tin Land­mann und Grup­pen­lei­ter Dr. Ste­fan Heist an einem Sys­tem für die Anwen­dung in der Robo­tik. Die­ses Sys­tem kon­zen­triert sich dar­auf, den Labor­auf­bau in einen mög­lichst kom­pak­ten und robus­ten Pro­to­typ zu über­füh­ren. Auf diese Weise soll Robo­tern die Fähig­keit ver­lie­hen wer­den, trans­pa­rente Objekte zu erken­nen und zu greifen.

»Glass360Dgree« als ers­tes MWIR-3D-Sys­tem auf der »Con­trol-Vir­tu­ell« vorgestellt

Das erste anwen­dungs­nahe Sys­tem, das die­ses MWIR-3D-Mess­prin­zip nutzt, ist »Glass360Dgree«. Das Sys­tem ist spe­zi­ell für die Über­prü­fung von Glas­kör­pern in der Optik­fer­ti­gung aus­ge­legt und soll im wei­te­ren Ver­lauf auch von For­schungs­part­nern genutzt wer­den, um zu tes­ten, wie sich das Mess­ver­fah­ren in ver­schie­denste Robo­tik­pro­zesse inte­grie­ren lässt. Die For­schen­den des Fraun­ho­fer IOF prä­sen­tie­ren »Glass360Dgree« der Öffent­lich­keit erst­mals ab dem 3. Mai auf der »Con­trol-Vir­tu­ell«, der inter­na­tio­na­len Fach­messe für Qualitätssicherung.

Fach­zeit­schrift »inVI­SION« zeich­net neuen Sen­sor als »Top Inno­va­tion 2021« aus

Von der Zeit­schrift »inVI­SION« – einem Fach­ma­ga­zin für die The­men Bild­ver­ar­bei­tung, Embedded Vision und Mess­tech­nik – wurde die neue 3D-Mess­me­thode im ther­mi­schen Infra­rot bereits als »Top Inno­va­tion 2021« aus­ge­zeich­net. »Wir freuen uns sehr über die Aus­zeich­nung der inVI­SION«, sagt Grup­pen­lei­ter Dr. Ste­fan Heist. »Das ist eine wun­der­bare Bestä­ti­gung unse­rer inten­si­ven Arbeit der letz­ten Jahre und eine groß­ar­tige Moti­va­tion, unser 3D-Ther­mo­sys­tem weiterzuentwickeln.«

Video­de­mons­tra­tion und wei­ter­füh­rende Informationen

Eine Video­de­mons­tra­tion des Mess­sys­tems sehen Sie auf You­Tube. Die For­schen­den ver­öf­fent­lich­ten ihre grund­le­gen­den wis­sen­schaft­li­chen Ent­wick­lun­gen zur MWIR-3D-Methode über­dies auf der »The Euro­pean Phy­si­cal Jour­nal Con­fe­ren­ces 2020«.

Kon­takt

Dr. Ste­fan Heist
Fraun­ho­fer IOF
+49 3641 807–214
ed.refohnuarf.foi@tsieh.nafets