Aktuelles › Photonikindustrie Thüringen · Wachstum durch Fachkräfteknappheit ernsthaft bedroht
Firmenverbund OptoNet e.V. stellt Bericht zu Geschäftssituation und Personalbedarf in Thüringer Hochtechnologiebranche vor
Die Photonikindustrie im Freistaat Thüringen meldet im Jahr 2023 erneut gestiegene Umsätze und wachsende Belegschaften. Bis Ende 2024 erwarten die Unternehmen mehrheitlich steigende Erlöse und planen weiteren Personalaufbau. Die größte Herausforderung ist die Besetzung neuer Stellen. Aktuell werden 1.000 Fachkräfte gesucht. Das sind die zentralen Ergebnisse des PHOTONICS Reports Thüringen, den der Firmenverbund OptoNet heute (16.6.2023) in Jena vorstellte. Dafür gaben 123 Unternehmen ausführlich zu ihren Geschäftszahlen und Zukunftsaussichten Auskunft.
Positive Geschäftslage
Befragt nach ihrer aktuellen Geschäftssituation verweisen rund drei Viertel der Firmen auf eine »sehr gute« (24%) bzw. »gute« (53%) wirtschaftliche Lage. »Die Branche ist gut durch die Coronakrise gekommen und zeigt sich auch im Kontext von Inflation, steigenden Energiepreisen und Lieferkettenschwierigkeiten resilient«, erklärte Anke Siegmeier, Geschäftsführerin von OptoNet. »Vor allem der anhaltende Boom in der Halbleiterfertigung und eine gute Auftragslage aus der Produktionstechnik wirken sich positiv aus.«
Umsatz gesteigert
Der Jahresumsatz der Photonikindustrie ist seit der letzten Erhebung 2021 von 3,4 Mrd. EUR auf 3,8 Mrd. EUR gestiegen. Das Wachstum wird von Unternehmen aller Betriebsgrößen und Technologiebereiche getragen. Auch für das laufende Geschäftsjahr und 2024 erwarten die Unternehmen teils kräftige Zuwächse: Knapp 60% der Unternehmen rechnen mit steigenden Erlösen.
Gestiegene Forschungsausgaben
Die Investitionen in den Bereich Forschung und Entwicklung erreichten im Jahr 2022 einen neuen Höchststand. Fast eine halbe Milliarde Euro wurde von den Unternehmen für die Entwicklung neuer Produkte und Verfahren aufgewendet, was einer F&E‑Quote von etwa 13% entspricht.
Hoher Exportanteil
Der Exportanteil am Umsatz ist mit 72% mehr als doppelt so hoch wie die durchschnittliche Exportrate des verarbeitenden Gewerbes in Thüringen. (37,3% in 2021) Die anhaltend hohe Ausfuhrquote unterstreicht die hohe internationale Orientierung der Unternehmen und zeigt, wie wichtig freier Handel und funktionierende Lieferketten für eine weiterhin positive Entwicklung sind.
Mehr Beschäftigte und 1.000 freie Stellen
Seit der letzten Befragung Anfang 2021 wurden rund 1.000 neue Mitarbeiter:innen eingestellt. Damit arbeiten insgesamt 18.300 Fachkräfte in der Photonikbranche des Freistaats, 2.450 davon in den universitären und außeruniversitären Forschungseinrichtungen. Gleichzeitig sind aktuell rund 1.000 freie Stellen ausgeschrieben. Gesucht werden nicht nur Ingenieur:innen, Physiker:innen oder Informatiker:innen, sondern auch Facharbeiter:innen für die Fertigungsbereiche. Die Besetzung offener Stellen gestaltet sich immer aufwändiger und wird zunehmend zu einer langwierigen Herausforderung.
Wachstum in Gefahr
Knapp zwei Drittel der befragten Unternehmen bewerten diese Situation mittlerweile als ernste Gefahr für die Branche, vor allem deshalb, weil sie für die nahe Zukunft zur Umsetzung ihrer Ziele mit »deutlich mehr« (17%) oder »mehr« (52%) Beschäftigten planen. Im Kontext einer anstehenden Verrentungswelle, einer niedrigen Ausbildungsquote von aktuell 3,2% und den zu erwartenden Absolventenzahlen an den Thüringer Hochschulen wird dieser Bedarf voraussichtlich nicht zu decken sein.
Ohne gute MINT-Bildung und Zuwanderung kein Hightech
Damit der Mangel an Fachkräften nicht zum Verlust von Wettbewerbsfähigkeit und Marktanteilen führt, müssen wichtige Hebel im Bildungsbereich und bei der Gewinnung ausländischer Fachkräfte in Bewegung gesetzt werden.
Lehrermangel, Stundenausfall und daraus resultierende Defizite in der MINT-Bildung junger Menschen könnten dem Technologiestandort Thüringen empfindlich schaden und werden von den Führungskräften mit großer Sorge und schon jetzt als Standortnachteil wahrgenommen.
„Vor diesem Hintergrund fordern wir von der Thüringer Landesregierung deutlich größere Anstrengungen zur Sicherung eines qualitativ hochwertigen naturwissenschaftlichen Unterrichts an allen Schulformen, eine Strategie zur Bekämpfung des Lehrermangels und eine gezielte Berufsorientierung“, sagte Anke Siegmeier. „Die Unternehmen sind bereit, ihren Beitrag zu leisten und investieren schon jetzt viel Zeit und Geld in Aktivitäten zur Unterstützung von Schulen. Das hilft aber alles nichts, wenn wertvolle Unterrichtszeit nicht genutzt wird.“
Die Photonikbranche ist aufgeschlossen gegenüber ausländischen Fachkräften: während in vielen Unternehmen (80%) schon Mitarbeiter:innen mit internationalem Hintergrund beschäftigt sind, ist ihr Anteil an den Gesamtbelegschaften noch recht gering (ca. 13%). Prinzipiell können sich jedoch fast alle Unternehmen vorstellen, in erheblichem Umfang (44%) oder zumindest bei einzelnen Positionen (50%) auf internationale Fachkräfte zu setzen.
Sehr gute Noten für OptoNet
Die Mehrheit der befragten Unternehmen ist Mitglied im Photoniknetzwerk OptoNet und nutzt die Angebote des Firmenverbundes im Bereich Kooperationsvermittlung, Technologiemanagement und Nachwuchsgewinnung. Diese Angebote der Geschäftsstelle werden fast ausschließlich mit »sehr gut« oder »gut« bewertet, mehr als 90% der Befragten empfehlen auch anderen Branchenvertretern eine Mitgliedschaft. Damit sehen sich die Geschäftsführerinnen Anke Siegmeier und Nora Kirsten bei der Schwerpunktsetzung bestätigt. Sie sehen das Netzwerk zukünftig als wichtigen Akteur, wenn es darum geht, beim Kampf um knapper werdendes Personal die Stärken des Standorts zu bündeln, neue Strategien zu entwickeln sowie Austausch und Fairplay in der Region zu erhalten.
Über OptoNet e.V.
OptoNet bündelt die Interessen von aktuell 116 Unternehmen, Forschungs- und Bildungseinrichtungen der Photonik und fördert Vernetzung und Kooperation mit dem Ziel die Entwicklung der Optischen Technologien in der Region voran zu bringen, die Wettbewerbsfähigkeit zu erhöhen und die nationale und internationale Sichtbarkeit des Clusters zu steigern. OptoNet versteht sich dabei als Dienstleister seiner Mitglieder, schafft eine gemeinsame Kommunikations- und Kooperationsplattform und engagiert sich aktiv für Fachkräftesicherung, Nachwuchsförderung und Standortmarketing. Seit dem Frühjahr 2023 ist das Clustermanagement mit dem ECEI GOLD-Label „Cluster Management Excellence“ zertifiziert.
Der PHOTONICS Report 2023
Der Bericht zu den aktuellen Geschäftszahlen, Umsatz- und Beschäftigungsprognosen wird seit 2001 im Zweijahresrhythmus veröffentlicht. Die Befragungen wurden im Auftrag von OptoNet vom CATI Labor des Instituts für Soziologie der Universität Jena durchgeführt.
Befragungszeitraum | Januar bis März 2023 |
Angesprochene Unternehmen und Forschungseinrichtungen | 204 |
Erfolgreiche Befragungen | 123 |
Interviewform | Telefoninterview |
Durchschnittliche Interviewlänge | 27 Minuten |
Interviewdurchführung | CATI Labor, FSU Jena, Leitung Thomas Ritter |
Wissenschaftliche Begleitung | Dipl.-Soz. Christoph Thieme |
Die wichtigsten Zahlen im Überblick
Unternehmen | 186 |
Umsatz 2022 | 3,8 Mrd. EUR |
Umsatzanteil für Forschung & Entwicklung | 13% |
Exportanteil am Umsatz | 72% |
Beschäftigte gesamt (Industrie & Forschung) | 18.300 |
Beschäftigte in der Industrie | 15.850 |
Beschäftigte in der Forschung | 2.450 |
Durchschnittliche Betriebsgröße | 85 Mitarbeiter:innen |
Auszubildende | 500 |
Ausbildungsquote | 3,2 % |
Ausgewählte Übersichten & Grafiken
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